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AutorenbildLucas Grözinger

ESG-Fonds: zwischen Etikett und Realität

Eine allgemeingültige Definition für ESG-Investments gibt es nicht, entsprechend groß ist die Vielfalt verfügbarer ESG-Strategien. Anleger stehen vor einem Dilemma, denn die ESG-Komponenten einer Anlagestrategie, deren Messvariablen und die Form der ESG-Integration können zu sehr unterschiedlichen Anlageergebnissen führen. Unsere Studie zu ESG-Fonds mit Fondsdomizil USA zeigt eine Vielzahl von Strategiemerkmalen und Nachhaltigkeitsprofilen auf und macht deutlich, dass sich Anleger bei der Suche nach dem richtigen Fonds für ihre Anlageziele nicht auf das Etikett allein verlassen sollten.


ESG gibt es in vielen Geschmacksrichtungen


Das erste Anzeichen für die Vielfalt des ESG-Angebots ist die Zahl der Kategorien in denen ESG-Fonds zu finden sind. Abbildung 1 schlüsselt die entsprechende Morningstar-Kategorie für die Stichprobe von US-Aktienfonds und -ETFs auf, die per 30. Juni 2021 als „Nachhaltige Anlagen“ klassifiziert waren. Der Großteil des verwalteten Vermögens dieser Stichprobe von insgesamt 214 Milliarden USD entfällt auf Large-Cap-Aktien, doch insgesamt verteilen sich die 196 ESG-Fonds auf 17 Kategorien, die in Größe, Anlagestil und Sektorzusammensetzung voneinander abweichen. Im Gegensatz zum breiteren Fondsuniversum werden die meisten dieser ESG-Fonds aktiv verwaltet; weniger als 40%, gemessen am verwalteten Vermögen, waren als Indexanlage klassifiziert.



Zwar legen Studien nahe, dass ESG-Merkmale keine zusätzlichen Informationen über erwartete Renditen liefern (Bebchuk et al., 2013; Blitz und Fabozzi, 2017; Dai und Meyer-Brauns 2020; Polbennikov et al., 2016), ein ESG-Anlageschwerpunkt könnte die Ergebnisse einer Strategie jedoch durchaus beeinflussen. Wenn die Integration von ESG-Faktoren beispielsweise eine systematische Über- oder Untergewichtung von Treibern höherer erwarteten Rendite zur Folge hat (z. B. Größe, relativer Preis oder Profitabilität), können die erwarteten Renditen einer ESG-Strategie systematisch höher oder niedriger ausfallen als die erwarteten Marktrenditen.


Insgesamt weichen US-Aktienfonds mit ESG-Schwerpunkt vom US-Markt ab. Abbildung 2 zeigt die vermögensgewichteten Eigenschaften dieser ESG-Fonds per 30. Juni 2021; man erkennt, dass Aktien mit höherem relativen Preis und einer kleineren Marktkapitalisierung gegenüber dem Russell 3000 Index tendenziell übergewichtet sind. Interessanterweise investieren die Fonds insgesamt in über 2.800 US-Aktien – und reichen damit fast an die im Index enthaltenen 3.009 Unternehmen heran. Je nachdem, wen man fragt, sind also mehr als 90% des US-Aktienmarkts ESG-konform.


Natürlich verschleiert eine Aggregierung von Fondsmerkmalen die Bandbreite der Anlageergebnisse von ESG-Strategien, Abbildung 2 zeigt daher auch die Merkmale der ESG-Fonds am 25., 50. und 75. Perzentil der Verteilung. Die Positionierung der einzelnen ESG-Portfolios zieht sich über das gesamte Spektrum aller drei Merkmale. Insbesondere reicht die interquartile Spanne der gewichteten durchschnittlichen Marktkapitalisierung von marktähnlichen 466 Milliarden USD bis zu unter 27 Milliarden USD, womit die entsprechenden Fonds schon fast das Mid-Cap-Segment erreichen. In Größe, relativem Preis und Profitabilität weichen die Fonds erheblich voneinander ab – was auf ebenso große Unterschiede in den erwarteten Renditen dieser Fonds schließen lässt.


Fahrplan für eine Wende


Wie unsere Ergebnisse zeigen, sagt die Kennzeichnung „ESG“ wenig über einen Fonds aus. Dieser Befund macht deutlich, dass Anleger eine Strategie anhand ihrer individuellen Ziele beurteilen müssen. Wer sich vor allem Sorgen über den Klimawandel macht, sollte einen Fonds suchen, der seine Ausrichtung auf Unternehmen und Branchen reduziert, die durch CO2 Emissionen den Klimawandel vorantreiben. Anleger müssen also genau hinsehen und diejenigen Manager, die die Emissionsintensität ihres Portfolios tatsächlich senken, von solchen Managern trennen, deren Nachhaltigkeitsversprechen ein reines Lippenbekenntnis ist.


Mit Vorsicht zu genießen sind auch Behauptungen von ESG-Fondsmanagern, ihre Nachhaltigkeitsfonds könnten einen deutlichen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten. Das Emissionsprofil einer Asset-Allokation ist nicht dasselbe wie die tatsächlichen Treibhausgasemissionen in der realen Welt: Nur weil man nicht an einem bestimmten Unternehmen beteiligt ist, hört dieses Unternehmen nicht auf, Kohlenwasserstoffe zu verbrennen. Fondsmanager können zwar ihre Beteiligungen an einem Unternehmen verkaufen und so ihr Emissionsprofil verbessern. Reale Auswirkungen haben ihre Strategien deshalb aber noch lange nicht. Wenn ein Fondsmanager für sich in Anspruch nimmt, mit seiner Strategie konkrete Veränderungen zu erreichen, sollten sich Anleger vergewissern, dass diese Behauptung in der Berichterstattung auch durch objektiv messbare Werte untermauert wird.



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